Whipwichteln: Roli kriegt Memorial von Soen

Schenken: Wir wichteln. Jede/r Whipitler/in zog einen Namen und musste dieser Person eine LP oder eine CD senden (die Art des Tonträgers konnte man im Voraus deklarieren). Der/die Beschenkte muss das Album besprechen und tippen, von wem das gute Stück versendet wurde.

Auspacken: Die (edle) CD-Hülle macht Kopfschmerzen: Zwei Personen mit Gasmasken, deren Schläuche zu einem Herz (aus Lava?) führen, ist Nonsens. Ein Bild mit Computer-Lava und (Blut-)rotem Mond wie im Booklet wäre besser.

Die ersten paar Lieder setzen sich bequem zwischen Dream Theater und Paradise Lost. Viel zu bequem. Warum traut die Band sich nicht, richtig und amtlich abzudrücken? Die Lieder verlieren sich in Belanglosigkeiten. Chad Kroeger singt jetzt bei Evanescence? Ist David Gilmour 2002 bei Bon Jovi eingestiegen? Sind Queensrÿche bei den Aufnahmen zu Empire die Ideen ausgegangen? Mittelaltermarkt im Stadion? In der ersten Hälfte des Albums höre ich die Band darüber nachdenken, wie Nachdenklichkeit klingen soll.

Das Album wird mit jedem Stück schlimmer, es tut mir leid, das sagen zu müssen.

Zuerst dachte ich, es seien Schweizer, denn ich kenne einige Bands (besser keine Namen), die genau gleich klingen und am selben Syndrom leiden wie Soen. Natürlich leiden sie nicht wirklich, sonst wäre die Musik «inspirierter». Schlimmer als gelebte Hohlheit ist suggerierte Tiefsinnigkeit. Richtig schlimm wird es beim Song Hollowed. Freunde, wir leben leider im falschen Jahrzehnt für im Duett gesungene Power-Balladen. Wo habe ich mein Feuerzeug?

Das Album hinterlässt mich ratlos. Ist das die Art von Band, in der Freunde spielen, die man deswegen unterstützt? Prog-Metal für den Account-Manager aus dem mittleren Kader, der auch eine sensible und nachdenkliche Seite hat? Wenn ich die Online-Besprechungen lese, verstehe ich noch weniger: Da werden Tool, A Perfect Circle und Porcupine Tree als Vergleiche angeführt. Warum höre ich nur langweilige Muskelmucke? Es fehlt an Wahnsinn, Genie oder einem Funken Originalität. Die Musiker beherrschen ihre Instrumente, aber wo ist die Kunst?

Ich empfehle den Musikern, wieder als Profi-Sessionmusiker zu arbeiten und die Kunst anderen zu überlassen.

ChatGTP komponiere mir ein Album, dass dick und breit klingt, im Stadion und Radio funktioniert, meinen Nachbarn und meinen Mitarbeitern keine Angst macht. Es soll aber genug Emotionen enthalten, dass man sich am Konzert im Arm halten kann. Voight-Kampff-Test nicht bestanden!

Zu meinem grossen Erstaunen und Entsetzten habe ich erfahren, dass diese Platte zur Nr. 1 in der Progressive-Abteilung vom «Metal Hammer»  gewählt worden ist. Wie konnte das geschehen? Wie fragte ein kluger Mann: Was sind Musikjournalisten eigentlich von Beruf?

Vermutung: Leider lag ich 2022 daneben, dieses Mal setzte ich auf Beni.

Auflösung: Dieses Album hat Christian geschickt. Weil er wissen wollte, wie Roli auf das Album Nr. 1 in der Progressive-Abteilung vom «Metal Hammer» reagiert.

Roland Frey
roland@whipit.ch

Roland Glenn Frey – Von A wie Fusion bis Z wie Doom. Hasst Heinz Rudolf Kunze, liebt Hunde.

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