Huigs Wegweiser durch die Populär-Galaxie #60: KI: k.o./o.k.?

Es ist ja schon eigenartig: Alle reden von ChatGTP und wie die künstliche Intelligenz unser Leben verändert hat, aktuell verändert oder bald verändern wird, aber irgendwie scheint es kaum jemanden zu interessieren, wenn dann mal was Künstliches die grosse Öffentlichkeit erreicht. Als im April letzten Jahres im Netz der Song Heart In My Sleeve auftauchte, war das Echo noch einigermassen gross: Immerhin war dieser künstlich generierte Song ein Duett aus den Stimmen von Drake und The Weeknd – und der Urheber oder die Urheberin unbekannt, was dann auch die Plattenlabels nervös machte. Immerhin sind sich inzwischen alle einig, dass Heart In My Sleeve der allererste KI-Song oder zumindest der allererste KI-Hit war. Gratuliere zum Eintrag in die Musikgeschichtsbücher.

Aber sonst? Kein Interesse. Ich hab mal recherchiert: Zum KI-generierten Album The Orcish Eclipse der KI-generierten Band Frostbite Orckings, das im Dezember 2023 als «erstes vollständig KI-generiertes Album» (Eigenwerbung) das Licht der Welt erblickte, existieren im Schweizerischen Medienarchiv SMD exakt 0 Beiträge. Zero. Und das SMD deckt immerhin fast die komplette Schweizer Medienlandschaft ab (Blogs und Internet-Herrlichkeiten wie Whipit ausgenommen).

Dann erschien das Album Hello World des Franzosen Benoit Carré unter dem Künstlernamen Skygge, und die Beiträge im SMD sind wiederum: 0. Zero. Beiträge zu Auxuman Vol. 1 des Kollektivs um Ash Koosha: Zero. Und nebenbei: Beiträge über KI-generierte Bühnenbilder, Bücher, Filme und was auch immer: spärlich, sehr spärlich.

Vielleicht liegt das daran, dass Ergebnisse von KI-generiertem Kulturgut bisher doch eher ernüchternd ausgefallen sind. Orcish Eclipse klingt wie ein durchschnittliches Amon-Amarth-Album, und wenn das schon so ist, warum soll ich als Konsument denn nicht das Original bevorzugen? Zudem mussten die Macher von Orcish Eclipse sämtliche Patterns zuerst einspielen, bevor sie der KI prompten konnten, wie sie diese nun «generieren» soll. Das hat uns verdankenswerterweise das Magazin «Metal Hammer» erzählt. Da hätten die Macher die Songs doch grad selber einspielen können, weil sie sie ja sowieso weitgehend «vorerfinden» mussten. Dasselbe gilt bei Auxuman Vol. 1 und wird auch für die monatlich geplanten weiteren Volumes gelten.

Okay: Diese ersten KI-Produktionen sind enttäuschend. Und das macht auch Hoffnung: Denn weil KI eben nur reproduzieren kann, was bereits vorhanden ist (augenfällig an der Warcraft-Optik von Frostbite Orckings), hat die echte Musik auch in Zukunft einen entscheidenden Vorteil gegenüber der KI: Neue Impulse kamen bisher immer von neuen, bisher nie dagewesenen Ideen und neuem Können. Jimi Hendrix – Nirvana – Madonna – Michael Jackson – Aretha Franklin – Miles Davis und und und: Sowas kann KI nicht, weil sie nichts Neues erfinden kann ausser Klingklang-Musik aus Schon-mal-Gehörtem, das dann wohl im altbekannten Mainstream erfolgreich sein wird.

Aber trotzdem: Dieses mediale Nichtbeachten der ersten KI-Produkte ist betrüblich.

Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

Beachten Sie auch unseren Artikel über WolfWolf und KI-Videoclips.

(Bild: Website Frostbite Orckings)

Christian Hug aka Huig
christian@whipit.ch

«I’m runnin' with a burnin' spirit that I can’t control», sagt Si, und er hat ja sowas von recht. Der Bruce weiss die einzig richtige Lösung: «I’m running free.» Und am Ende bleibt, was John Lee schon immer wusste: «It’s all the Blues.» The Numbers of the beast: 1965, 189,6370, 3. christian-hug.ch

1 Comment
  • Conrad Wagner
    Posted at 10:48h, 09 März Antworten

    … diese Stimmung von Lust für vs. Angst vor KI ist Treiber neuer Intelligenz. Imagination pur …

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