Shaka Ponk: Vom Glück geflutet

Es ist sonderbar: In Frankreich füllen Shaka Ponk locker Fussballstadien, und ennet dem Röschtigraben sind sie sozusagen unbekannt. Woran mag das liegen? Zwanzig Jahre lang haben die in Berlin lebenden Franzosen spektakulär tolle Alben gemacht, die zwischen Funk, Metal, Techno und irgendwas oszillieren und vorwärtstreiben und auch ohne Metal in-your-face reinhauen. Wenn es das ist, was man unter Crossover versteht, dann sind Shaka Ponk absolut perfekt, auch im Spiel mit Geschlechtern, Sprachen und Grafiken. Und trotzdem: ausserhalb von Frankreich wurde Shaka Ponk nie der Wert zugesprochen, den sie verdient hätten.

Konzerte in der Deutschschweiz sind beziehungsweise waren denn auch entsprechend selten. 2015 spielten sie am Gurten-Festival. Das war leider ein bisschen ungünstig, weil sich der Hug nicht durch 40’000 dösende Gurtenmenschen durchzwängen mochte und deshalb die Hug darum ebenfalls zu Hause blieb. Vier Jahre später waren sie am Paléo-Festival in Nyon angesagt, da reisten die Hug und der Hug extra an, und als wir drin waren, hingen da so Plakate an der Wand mit Inhalt «Shaka Ponk abgesagt». Sch…….önblöd. Stephan Eicher als Trost mochte niemand kucken.

Und dann, letztes Jahr, kam die Meldung: Shaka Ponk werden sich auflösen. Sch……önnochvielblöder!! Immerhin die Ansage: Am 16. März werden sie zum Abschied in der (english pronounced) Geneva Arena in (prononcé en français) Genève spielen. Die Hug hat s-o-f-o-r-t Tix gekauft. Und Hotel gebucht. 12 Monate Vorfreude. Und dann endlich 4 Stunden Zugfahrt, Halle rappelvoll mit 6500 Leuten, davon öppe 95 Prozent fronsösisch, ein aufgeräumt und heiter Volk.

Die Band gönnt sich erstmal einen ausgedehnten Gang durchs Publikum (tatsächlich), schüttelt Hände, lässt sich drücken, winkt, das Publikum jetzt schon aus dem Häuschen. Das Sextett beginnt ihr Set unplugged, I’m Picky halb und Gung Ho ein Viertel so schnell wie auf Platte, was für eine schöne Überraschung, das Publikum ist noch mehr aus dem Häuschen.

Und dann beginnt der Shaka-Ponk-Rausch: Es kracht und donnert, prätscht und poled, flüstert, winselt, spricht, singt, gestikuliert, es hüpft und tanzt und rumpelt, Sänger Frah und Sängerin Sam im Falsett, im Duett, im Solo, im Konter, es ist wunderbar, ein Fluidum aus Show, Songs und Videos, Frah surft immer wieder über die Crowd, er STEHT auf den Händen seiner Fans, ein fasriges Bündel reine Energie, herrje, es ist einfach nur… spek-ta-ku-lär, es ist Twisted Minda!

Es folgt ein harter Bruch, die Musik plätschert, Frah spricht auf einem Podestchen in der Mitte der Halle so, wie ein Priester predigt, drei Minuten, vier Minuten, der Spannung im Saal tut das keinen Abbruch, im Gegenteil, plötzlich macht sich Unruhe breit im Publikum, die einen drängen zu Frah hin, andere fliehen von ihm weg. Wir drücken uns in die Mitte, denn wir spüren: jetzt kommt DIE RUNDE! Vergesst den Circle Run. Vergesst die Wall of Death. Und rudern war schon immer doof. Bei Shaka Ponk dreht man sich im Kreis, einmal wie Jünger um den Sängerprediger, es gibt Videos im Netz, da dirigiert Frah mindestens 10’000 Fans um sich herum.

Und dann nahtlos Gospelchörli in wallendweissen Engelsroben, passt ideal, auf der Leinwand grooven Robotergorillas dazu, auf der Bühne stapeln sich überdimensionierte Bücher (ja, Bücher!), Keyboarder Steve dreht mit nackter Wampe und Hosenträger durch, alles ist möglich bei dieser Band, und immer wirkt alles: organisch. Ja, das macht es aus: Was immer Shaka Ponk tun, es ist organisch. Durchgedreht, aber in seiner Selbstverständlichkeit ergreifend, auch in der Kombination von allem, was ihnen gerade einfällt. Schliesslich im Grande Finale, in dem alles zusammenkommt, die grosse Ekstase, ein Hochamt, grosse Liebe, und zum Abschied sagt Frah: «Les vingt ans passés, Shaka Ponk, c’était vous.» Das ist noch berührender als das «Gonna miss you» von Tom Arraya.

Wir sind geflutet von Glück. Und traurig. Weil wenn das tatsächlich «The final fucked up Tour» ist, werden wir sowas nie mehr erleben. Wobei: Die Abschiedstournee endet Ende November mit vier Konzerten in Paris. Sieht ganz so aus, als müssten die Hug und der Hug da hin. Von Bern sind’s mit den Teschewe auch nur 4 Stunden oder so.

Der Hug damals betrübt am Paléo-Festival


Die Hug damals betrübt am Paléo-Festival

Christian Hug aka Huig
christian@whipit.ch

«I’m runnin' with a burnin' spirit that I can’t control», sagt Si, und er hat ja sowas von recht. Der Bruce weiss die einzig richtige Lösung: «I’m running free.» Und am Ende bleibt, was John Lee schon immer wusste: «It’s all the Blues.» The Numbers of the beast: 1965, 189,6370, 3. christian-hug.ch

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