Verbier Festival: Ein Requiem

Perfekt. Beeindruckend, der Klang des grossen Orchesters und der Sängerinnen und Sänger am war einfach überwältigend. 90 Minuten Verdis Requiem (ja, wir reden hier von Klassik) am 17. Juli des 30. Verbier Festival gehört sicher zu den eindrucksvollsten Konzerten, die ich je gesehen habe. Es war erschütternd.

Wer baut in einem (relativ) kleinen Ferien- und Zweitwohnort eine perfekte Tonhalle, die eigentlich nur für das zweiwöchige Festival benötigt wird? Das Festival ist wunderbar, hochkarätig besetzt und hat doch etwas Absurdes. Verbier hat wie die anderen teuren Winterorte im Sommer etwas Eigentümliches und Hässliches.

Der Besuch lohnt sich, weil sich ein kleiner Blick auf die Welt der sehr Reichen und Klassikliebhaber und Klassikliebhaberinnen auftut. Menschen, die sich zum Privatvergnügen eine solche Halle bauen. Links, rechts, vorne und hinten sieht man altes Geld. Ältere Damen mit Ventilatoren, verzogene Kinder, schlecht gelaunte Ehefrauen und ihre 30 Jahre älteren Männer, die sich in schicken Outdoor-Kleidern Kunst gönnen. Alle Vorurteile lassen sich bestätigen, und doch sind es Klischees.

Natürlich kann man die Nasen rümpfen und darüber lachen. Tatsächlich wird diese Form von Kunst und Konzert nur noch von dieser Schicht (ok, und teilweise auch von viel Steuergeldern) am Leben gehalten. Egal wie talentiert: Kein Mitglied des Orchesters kann sich arme Eltern leisten, wenn das billigste Klavier zum Üben 50’000 Franken kostet und der Platz dazu auch verfügbar sein sollte. Selbst wenn es ein Musiker in die «Elite» schafft, findet er oder sie sich in einem hoch kompetitiven Umfeld wieder, in der er oder sie gegen die ganze Welt antritt. Es ist ein kleiner Blick in eine Welt, in der man sich Scheitern leisten muss und kann. Wenn es wirtschaftlich nichts mehr zu erreichen gibt, bleibt eigentlich nur noch die Kunst.

Die Fronten sind hier klar, keine Heuchelei von wegen «Wir wollen offener für Randgruppe XY» sein. Kein Anspruch, die Gesellschaft besser zu machen. Keine Schwurbeleien, um die Steuergelder zu rechtfertigen. Keine unsinnigen Pamphlete, warum «die Gesellschaft Kunst braucht». Alter, Herkunft, Nationalität oder Sprache: Alles egal, was gleich macht, ist Geld.

«Ich habe nichts gegen die Reichen, ich möchte Ihnen nur ein bisschen gleichen» sangen Superpunk und wir sollten uns ihnen anschliessen.

Roland Frey
roland@whipit.ch

Roland Glenn Frey – Von A wie Fusion bis Z wie Doom. Hasst Heinz Rudolf Kunze, liebt Hunde.

No Comments

Post A Comment