Paléo Festival: So weit, so gross, so nah

Von der Zentralschweiz aus ist das Paléo Festival in Nyon ein gutes Stück entfernt. Das machte mir aber nichts aus, denn endlich konnte ich Fatoumata Diawara live sehen. Und Sting. Und La Femme. Und, ach, alle, ich freute mich einfach wahnsinnig drauf.

Als ich das letzte (und erste) Mal am Paléo war, waren Shaka Ponk angekündigt. Ähnlich wie bei Fatoumata Diawara war das die Band, wegen der ich letztlich hin ging. Leider haben Shaka Ponk damals krankheitsbedingt abgesagt – als wir bereits die Hälfte des Weges hinter uns hatten. Wir gingen trotzdem hin und haben gemütlich das Gelände entdeckt, superfein gegessen und sind dann später wieder nach Hause. Das Gelände war also kein Neuland für mich, und ich wusste von vornherein: Das wird prächtig! Und wisst ihr was? Ich hatte recht!

Das Paléo-Gelände war gross und mit Details geschmückt, die ein schönes Ambiente entstehen liessen. Etliche Bars, Food– und Einkaufsstände und solche von verschiedenen gemeinnützigen Organisationen, viele Sitzmöglichkeiten und verschiedene Bühnen waren zu finden. Und das Allerbeste: Die Musik auf jeder Bühne war sehr gut abgemischt, egal, wo man im Gelände stand oder wo man vor einer Bühne stand. Eine wahre Freude!

Ich war am Dienstag und am Mittwoch am Paléo. Alles lief rund: Der Einlass mit dem digitalen Ticket ohne Bändel-Vergabe, das Bezahlen ohne Bargeld und das Recyclen aller Becher, Teller und Bestecke. Ich meinti, das war das erste Mal, dass alles ausnahmslos geklappt hat mit der Digitalisierung und Ent-Bargeldisierung. Auch das: Eine Freude! Eine Freude mehr: Es hatte eine riiiesige Auswahl an Essensständen mit allerlei Angeboten, da ging mein Foodlover-Herzli auf.

Und noch eine Freude, und das ist das Wichtigste: Alle Konzerte waren der Knüller! Wirklich, ausnahmslos. Super abgemischt, tolle Stimmung, tolle Bands, viele neue Bands, die ich jetzt in meine Mediabibliothek aufgenommen habe – I am looking at you, Yin Yin and Bombino.

First things first:
Turnstile haben wir gerade noch den letzten Teil gesehen – äch, das nogglet mich bis heute. Die hatte ich echt nicht auf dem Radar. Sie spielten auf der zweiten grossen Bühne, der Véga-Stage. Und heeeiterehuärinä, haben die diese Viertelstunde die Bühne auseinandergenommenBeziehungsweise das Publikum: Der Sänger zwängte sich durchs Publikum und liess alle um ihn herum elektrisiert pogoen.  Etwa so:


Die muss ich unbedingt wieder einmal sehen.
Hardcore-Punk-Raserei triffts prima. Es wurde gerast, es wurde gepunkt, es wurde gehardcored. Ganz nach meinem Gusto.

Dann Dropkick Murphys auf der Hauptbühne (Grande Scène), sie waren schnell, lüpfig und haben Stimmung gemacht. Und das bei gefühlten 40 Grad. Denn: Es war heiss! Beide Tage.Überall standen Hinweise, dass man auf die Hitze Acht gebensolle, sich eincremen und viel trinken soll. Es gab diverse Wasserspender auf Platz, aus denen man trinken konnte. Sogar das Wasser aus den Wasserhähnen der Toiletten konnte man trinken. Ach ja: Es waren richtige Toiletten auf Platz. Keine ToiTois. Jeder, der mich kennt, weiss, dass ich das enorm schätze. Und man konnte sogar eigene Trinkflaschen und wiederverwendbare Flaschen mitnehmen. Erfrischend (haha, Wortspiel), dass das Wohlbefinden der Gäste mehr Wert war als das Geld-Scheffeln und dem Zwang, alle bitter nötigen Getränke kaufen zu müssen.

Dropkick Murphys standen also in der pläderwarmen Sonne mit langen Hosen und schwarzen Hemden – Hut ab. Und auf Dropkick Murphys, finde ich, ist immer Verlass: Jedes Konzert von denen war bisher gut. So auch am Paléo.

Kurze Ess-Pause – das Entscheiden, welchenLänderspezialitäten man sich hingeben will, dauerte länger als das Anstehen. Dann: -M-, die grosse Überraschung. Ich kannte nur ein Lied, nämlich L’Âme Au Mali, zusammen mit Amadou & Mariam, Toumani Diabaté und Jain. Und das primär weil ich grosser Amadou&Mariam-Fan bin. Aber -M- auf der Véga-Bühne hat mich aus den Söckli gehauen. Ein Entertainer schlechthin, Groovig, rockig, hella glamourös. Es war ein grandioser Auftritt. Und auch hier: Er hatte keine Mühe, sich direkt ins Publikum zu stürzen und ein Gitarrensolo hinzulegen, während er durch die Menge tanzte. Sehr beeindruckend. Das coolste: Die Bandmitglieder funktionieren ideal zusammen, aber jede Musikerin und jeder Musiker weiss auch ganz genau, dass er oder sie als Einzelperson genauso killer ist. Die Dynamik zwischen den Musikern war sehr schön anzusehen: Sie hatten sichtlich Freude, waren prima eingespielt, strahlten eine gewisse Selbstverständlichkeit aus. Als sei es nicht ein Konzert am Paléo, sondern eines vor Freunden und es ginge primär darum, miteinander Spass zu haben. So soll das!

Dann KISS auf der Hauptbühne. Da muss ich sagen, war ich mässig begeistert, sie zu sehen. Ich war nämlich vor wenigen Jahren auf ihrem «Abschiedskonzert» im Hallenstadion Zürich. Pha! War wohl nix mit Abschied. Dafür hab ich mich von ihnen verabschiedet – also war ich eher zähneknirschend an ihrem Paléo-Konzert. Sie waren easy, KISS halt. Es war so voll vor der Bühne, dass wir uns entschieden haben, schon mal Richtung Véga-Stage zu laufen, da spielten nämlich bald La Femme. Auf dem Weg dorthin hörten wir aber coole Beats, und ich musste schauen gehen, was das ist. Und da haben wir die Weltmusik-Ecke entdeckt! Santrofi haben grad das ganze Publikum im Zelt mitgerissen und animiert mitzutanzen. Und da die meisten Leute grad am KISS-Konzert waren, war das Zelt auch nicht so überfüllt. Ihre Afrobeats und ihre funky Tuneskombiniert mit traditionellen Rhythmen waren genau das Richtige. Und als dann La Femme auf der Véga-Bühne spielten, waren wir heiter aufgestellt und ready, das Konzert um 1 Uhr am Morgen zu schauen. Und auch das war der Wahnsinn!

Ein starker Auftritt von zackigem französischen Synth-Popund BeachBoys-Flair mit Elektroeinflüssen. Auch hier wieder: Die Musiker wussten, was sie auf dem Kasten haben. Es war schön, das mitanzusehen. Als dann wieder ein Musiker auf die Absperrung stieg und seine Gitarre etwa schöne 2 cm vor dem Gesicht der Zuschauer spielte, war klar: Das Paléo ist zwar riesig, aber die Musiker und das Publikum ist sich sehr nah. Und das ist einfach nur wunderschön.

Zum Schluss haben La Femme noch ihre Vinyl-Platten in die Menge geschmissen und Poster verteilt. Ein würdiger Abschluss von einem phänomenalen Paléo-Dienstag.

Der Mittwoch hatte es also schwierig, den Vortag zu toppen. Ein kurzer Blick ins Club Tent mit Marius Baer, und schon machten wir uns auf den Weg zu unserer neuen Lieblingsbühne, dem Dôme – die mit der Weltmusik. Und wer war da? Santrofi! Ha! Afrobeats again, ich fand sie am Dienstag toll, also fand ich sie auch am Mittwoch toll. Ein heiterer Einstieg in den Tag. Als dann Fatoumata Diawara auf der Hauptbühne spielte, war ich sowieso wunschlos glücklich. Was für ein Auftritt! Was für eine Frau! Diese Ausstrahlung, diese Bühnenpräsenz und die spürbare Freude. Ich war am Dauergrinsen. ENDLICH habe ich sie live gesehen. Ich war überüberglücklich.

Beim Rag’n’Bone Man haben wir nur kurz reingeschaut – auch er lieferte einen guten Auftritt. Aber wir wollte zum Jimi Hendrix der Sahara: Bombino. Wüsten-Nomaden-Rhythmen mit Blues und einem unglaublichen Können kombiniert. Ich müsste wohl das ganze Paléo-Festival Flip Flops angehabt haben, mich hat es ständig aus den Söckli gehauen. Man kann wirklich sagen: Es war mir eine Ehre, Bombino zuzuschauen und zuzuhören. Gitarrensaite gerissen? Kein Problem – während des Stücks einfach schnell die Gitarre umgestimmt und weitergespielt. Läck! Killer!

Völlig geflasht gingen wir langsam nach vorne zur Hauptbühne. Sting. The one. Ich war ein wenig ungeduldig: Wird er Police-Songs spielen? Ich find ihn nämlich primär in dieser Formation sehr toll. Und Roxanne ist DAS Lied, wenn ich eines vorsingen müsste, voller Herzblut und falschen Tönen. Ziemlich  zu Beginn grätschte er mit Englishman in New York rein, was ich natürlich wunderbar fand. Und irgendwas sagte mir, dass ich an diesem Abend noch Roxanne hören werde. Und: Ich hatte recht. Was war ich für ein freudiges Marienkäferli, als er dieses Lied spielte. Der krönende Abschluss der zwei Tage lieferten dann noch YīnYīn im Club Tent. «Thailändische und vietnamesische Psyche-Rhythmen aus den 60er- und 70er-Jahren fusionieren mit den leichten Klängen des Disco-Funk», so beschrieb es das Paléo besser könnt ichs nicht. Ich war entzückt! Und ehrlich, Paléo: Du hast dich in meine Liste der Lieblingsfestivals eingeschleust, direkt neben dem Up in Smoke und dem MehSuff. Ich komme wieder, keine Frage!

YīnYīn

Fatoumata Diawara

La Femme

 

Aline Hug
aline@whipit.ch

Aline ging wiedermal All In mit diesem Blog - denn wie DEVO schon sang: When a problem comes along, you must whip it.

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