
30 Mai Huigs Wegweiser durch die Populär-Galaxie #61: Me myself and I: Das grosse Solo
Einer der Gründe, warum neue Musik so langweilig geworden ist, ist der: Es gibt bald keine Bands mehr. Beziehungsweise: Es erscheinen seit geraumer Zeit sehr viel mehr Alben von Einzelkünstlern und Einzelkünstlerinnen als von Bands. Und das heisst dann meistens: Ich und mein Lagerfeuer. Oder Ich und mein Synthie. Oder Ich und meine Gefühle. Und vor allem: Ich, wie ich meinen Bauchnabel betrachte. Hauptsache: Ich spüre mich, und ihr könnt mir dabei zuhören. Wenn wir Glück haben, erscheinen neue Alben von Duos. Die klingen dann meisten so wie die Alben der Solisten, einfach zweistimmig.
Das ist nicht nur sehr ermüdend, das ist vor allem langweilig. Weil das am Ende mit Rock’n’Roll kaum mehr was zu tun hat, geschweige denn mit Sex, Drugs & Rock’n’Roll, ha ha. Das passt aber leider bestens in unsere heutige Selfie-Kultur der selbstverliebten Wichtigtuer. Das ist das Gegenteil von einer Band.
Stimmt nicht, sagen Sie? Ich habe zwei beliebige Wochen lang Buch geführt: Über alle Neuerscheinungen von allen Musiklabels in sämtlichen Newslettern, die ich abonniert habe, und das sind viele. Es handelt sich dabei um Newsletter, in denen Ausschliesslich neue Alben vorgestellt wurden.
Die Liste ist folgendermassen zu lesen: Aufgezählt sind pro Newsletter zuerst alle Einzelkünstler und Einzelkünstlerinnen, die eine neues Album veröffentlichen. In Klammern folgen zuerst links vom Schrägstrich, wie viele davon Solisten sind. Dann rechts vom Schrägstrich, wie viele Neuveröffentlichungen insgesamt vorgestellt werden. Und nach dem Komma noch das Label. Kursiv sind alte, gestandene Künstler und Künstlerinnen, die zählen nicht zu unseren neuzeitlichen Betrachtungen. Metal-Newsletter sind nicht aufgeführt, weil es im Metal eigentlich nur Bands gibt, sonst funktioniert das nicht. Alles klar? Sehen Sie selbst:
• Milune, Ladina, Anna Rossinelli, Pierre Garnier, Tems, Joris (6/6, Sony)
• Awa Khiwe (1/1, Outhere)
• (0/4, Irascible)
• Benjamin Amaru (1/1, Warner)
• Elderbrook (1/1, Warner)
• Patric Scott (1/1, Mixtu)
• (0/1, VoodoRhythm)
• Cachita (1/1, Phonag)
• Nurnoloco, Ben Dolic, Bettina Schelker, Oliver Sullivan, Gloria Jones, GReeeN, Kaleo Riot
(7/7, Music Promotion Network)
• Hasley, Ivo Martin, Milune (3/3, Sony)
• Mark Ambor (1/1, Indiecom)
• (0/1, Warner)
• Mele (1/1, Warner)
• Alex Izenberg (1/2, Irascible)
• (0/1, Mouthwatering)
• Ben Dolic, Gloria Jones, Bettina Schelker, Oliver Sullivan, Shem Thomas, Fredy Pi., Deborah Monard, Leroque (8/9, Music Promotion Network)
• (0/1, Mouthwatering)
• J.R.C.G., Jon Hopkins (2/6, Irascible)
• MC Hero, Mimi Webb, Oscar and the Wolf, Khalid (4/4, Sony)
• Yasmin Williams, Gola Gianni, Mele, Sott, Twenty Six, Joshua Bassett, Blanka (7/9, Warner)
• (0/1, Starfish)
• Rosie Lowe (1/6, Musikvetrieb)
• Paul Gerlinger (1/1, Warner)
• Fred Again (1/1, Warner)
• (0/2, Irascible)
• (0/1, Mouthwatering)
• Cher (1/1, Warner)
• Dana (1/1, Indiecom)
• Thierry Condor (1/1, NiRo)
• Milune (1/1, Sony)
• (0/1, Musikvertrieb)
• Tones and I (1/1, Warner)
• Joya Marleen (1/1, Sony)
• Laurie Anderson (1/1, Warner)
• Joya Marleen, Leon Bridges, Rex Orange County, (3/4, Sony)
• Fred again…, Error, The blessed Madonna, Friso, Jordan Adetunji, Ccosmo (6/9, Warner)
• Peter Perret, Porches, Gizmo Varillas (3/3, Irascible)
• Naomi Lareine (1/1, Sony)
• (0/1, Sony) – Udo Jürgens
• Mario Borelli, Bettina Schelker, Henä, Gloria Jones, Deborah Monard, Nurnoloco, David Holler, Andiyah (8/11, Music Promotion Network)
• Naomi Lareine, Kamrad, Lisa, Rag’n’Bone Man, Ivo Martin (4/4, Sony)
• Florencia Yunis (1/1, Farmore)
• Edb (1/1, Sony)
• Simona (1/1, Warner)
• Mario Borrelli, Deborah Monard, Lisa Oribasi, Faustmann, hugomusig, Rio de Don (6/8, MPN)
• Jane in Flames (1/1, Mixtu)
Fazit: Die Solistinnen und Solisten haben die Überhand gewonnen. Und die allermeisten von ihnen langweilen uns. Sie langweilen uns zu Tode.
No Comments