
14 Jan Whipit wichtelt: Roli kriegt Odd Love von Coilguns
Schenken: Wir wichteln. Jede/-r Whipitler/-in zog einen Namen und musste dieser Person eine LP oder eine CD senden (die Art des Tonträgers konnte man im Voraus deklarieren). Der/die Beschenkte muss das Album besprechen und tippen, von wem das gute Stück versendet wurde.
Auspacken: Das Auspacken war eine Enttäuschung. Schon wieder Feuer? Odd Love? Ein hässlicher Schriftzug? Noch nie gehört, was ist das für ein dummer Bandname? Erst, nachdem ich das Album das dritte oder vierte Mal beim Putzen in die Hände genommen habe, begriff ich, dass das der Albumtitel ist und die Band Coilguns heisst. Der Bandname steht unten auf dem Cover. Wie peinlich und ignorant!
Coilguns aus der Westschweiz sind (neben Ikan Hyu) für mich die Schweizer Entdeckung des Jahres 2024. Seltsamer- oder bezeichnenderweise habe ich beide Bands auf Instagram in den Algorithmus reingesponsert bekommen. Endlich hat das mal funktioniert.
Musikalisch liegen zwischen Coilguns und Ikan Hyu Welten, aber was sie verbindet, ist der frische Wind, den die beiden Bands in die leider zum grossen Teil vermurkste, verkopfte und langweilige CH-Musikszene bringen. Eventuell täusche ich mich, und nur die Berichterstattung darüber ist so.
Laut und aggressiv geht es mit We Missed The Parade, Placeholders und Generic Skincare los, aber smart (ohne zu kraftmeiern) und abwechslungsreich. Das ist der Unterschied. Die Band hat Soul und Energie. Die Band ist mutig und lässt dort Dissonanzen zu, wo andere Bands mit diesen musikalischen Fähigkeiten noch ein Gitarrensolo mehr oder ein Keyboard-Intermezzo reindrücken würden.
Die Musik erinnert an die ersten Deftones-Alben, die Arrangements lassen einem entsprechend an brennende Palmen oder Haie denken. Eine ähnliche Laut-Leise-Dynamik, aber kein Dicke-Hose-1-Million-Dollar-Nu-Metal. Das Album ist frei von Stumpfsinn und Klischees.
Jedes Instrument stürmt nach vorne, und trotzdem stehen sie sich nie im Wege. Wenn alle Instrumente immer nach vorne gehen und der Sänger ans Limit geht, besteht immer die Gefahr, dass die Musik ermüdend oder langweilig wirkt. Coilguns gehen dem aus dem Weg, indem das Fundament immer roher Garage-Krach bleibt.
Die Brachialität früherer Aufnahmen wurde zugunsten von mehr Luft und Dynamik zurückgefahren. Das tut dem Album und der Band gut. Auch wenn ein Refrain oder eine Bridge mal Richtung Stadion winkt, holt die brutale Gitarre die Band zurück auf dein lokales Jugendzentrum.
The Wind To Was The Pain, ein solcher Songtitel verspricht Schlimmes, aber in bei Coilguns klingt es wie INXS in Lärm. Mit diesem Höllenlärm grosse Gesten gestalten, ohne dumm zu wirken, ist wahre Kunst. Die Musik ist so unmittelbar und zupackend, dass das Hirn gar keine Zeit hat zu meckern.
Die Laufzeit von 47 Minuten ist perfekt, kaum ein Album muss wirklich länger sein. Schade habe ich die Band live immer verpasst, sie müssen eine Wucht sein. 2025 funktioniert es hoffentlich.
Die Band meint es ernst und so auch wir: 5 von 5 Sternen!
Vermutung: Ich tippe auf Aline, weil ich irgendwo Coilguns erwähnt habe. Aber ich lag bis jetzt immer falsch.
Auflösung: Geschenkt von Beni. Er sagt dazu: «Ich mag die Platte sehr und schenke gerne Schweizer Musik. Zudem glaube ich, Roli kann mit der Platte umgehen.»
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