Birth of Joy: So viel Joy, die Email des Grauens und was Huers!

Spotify schlägt den Hörern basierend auf ihrem Hörverhalten regelmässig neue Songs vor, die einem gefallen könnten. Da hör ich immer mal wieder rein. Manchmal ist da totaler Quatsch drin, manchmal bleib ich an der vorgeschlagenen Band hängen. Wie bei Birth of Joy. Three Day Road wurde in meine Playlist-you-might-like gemixt, und ich habe es geliked. Also, wortwörtlich. Ich habe dem Song ein Herz auf Spotify verpasst (dabei singe ich oft innerlich: «I schänke dr mis Häääärz, meh han i nid» – keine Ahnung warum ich das mache, aber ich finde es eine schöne Angewohnheit).

Three Day Road startet langsam und vorsichtig, verwöhnt die Ohren mit unerwartet drückenden Riffs, die sich aber schnell wieder beruhigen. Das wiederholt sich ein paar Mal, wird immer intensiver, ausgedehnter, der Keyboarder wird stets präsenter, und es baut sich eine langsame Ekstase auf. Man kann sich das vorstellen, als sei man auf einem Schiff: Man steht auf dem Deck, es ist sehr gemütlich, plötzlich kommt eine Welle – es wird kurz etwas harzig, aber nicht wirklich, und schon hat es sich wieder beruhigt. Bis die nächste Welle kommt, etwas garstiger als die vorherige, man sieht die Wellen langsam immer mehr kommen und wappnet sich entsprechend auf die nächste Wucht, die mal mehr, mal weniger stark an die Schiffswand prallt. Und man streckt dann irgendwann das Gesicht in die Wellenspritzer und gibt sich der See hin. Und das ganze 7:20 Minuten lang. Herrlich.

Grund genug, mich mehr mit der Band auseinanderzusetzen. Gesagt, getan. Ich blieb am nächsten Song hängen: Make Things Happen.

Gopf. Das gefällt mir echt gut. Zu gut. Irgendwie erinnert mich die Band an etwas, aber ich weiss nicht was…

Kurzes SMS an Whipit-Barmy:

Auf dem Nachhauseweg vom Candy-Dulfer-Konzert am Jazz no Jazz in Zürich gab’s nochmal eine ordentliche Ladung Birth of Joy auf die Ohren. Zweites SMS an Whipit-Barmy:

Ihr seht, ich meinte es ernst. Und das am Morgen um 3! Da ist mir dann auch in den Sinn gekommen, warum ich Birth of Joy so toll finde: Die tönen ja wie die Doors! Kein Bass, dafür ein geiles Keyboard. Logisch, dass die mir so gut gefallen.

Und wenn der Barmy sagt, die ersten drei Platten seien toll, hindert mich rein gar nichts daran, diese Platten zu kaufen. Ausser eben, dass es sie nirgends mehr zu kaufen gibt. Weil: Birth of Joy aus Holland gingen 2019 in Rente, waren eine exzessive Liveband, alle finden‘s schade, dass es sie nicht mehr gibt, und haben wohl zur Kummerbekämpfung alle Platten eingekauft, damit die Existenz von Birth of Joy für immer erhalten bleibt. Irgendwann habe ich eine Website von einem Plattenladen in Helsinki gefunden, der noch ziemlich viele Platten ebendieser Band anbietet. Also habe ich mir Hyper Focus, Get Well und Prisoner bestellt.

Wenige Wochen später purzelte eine Email des Grauens von Helsinki in mein Postfach: Prisoner haben sie nun doch nicht mehr im Angebot und können sie auch nicht mehr auftreiben, ich solle mir doch eine andere Platte von einer anderen Band aussuchen – oder sie vergüten mir das Geld. Ich schreibe zurück, erkläre: Immer, wenn ich im Ausland bin, gehe ich in einen Plattenladen, frage den Dude oder die Dude-in hinter dem Tresen nach einer einheimischen Band, von denen sie der Meinung sind, die seien der Killer. (So habe ich in Schweden Empress Rising von den mir zuvor unbekannten Monolord in die Hände gedrückt bekommen und mich tätsch verliebt). Ich machte den Helsinki-Dudes darum den Vorschlag: Sie können mir eine Platte irgendeiner empfehlenswerten finnischen Band senden.

Umgehend kam die Antwort-Mail vom Plattenladen-Mitarbeiter: Coole Idee, machen wir gerne. Wir senden dir etwas zu.

Nach wochenlangem Warten hielt ich, randvoll mit Dopamin, mein Päktli aus Helsinki in den Händen: Da ist tatsächlich ein Überraschungs-Vinyl von einer Band aus Finnland drin, wie geil ist das denn! Ein kurzer Moment des Geniessens. Ich gebe mich diesem Gefühl hin. Jetzt aber: öffnen, chnorzen, strahlen: Was Huers ist das? Die Band heisst Circle, das Album 6000 km/h Part 2, wurde 2016 via Full Contacts Records veröffentlicht und beinhaltet vier Songs, drei davon zwischen 11 und 17 Minuten.

Das Cover sieht vielversprechend aus:

Ich schmeiss die Platte an, muss bitz schmunzeln. Echt schräg, diese Circle. Finnische Titel, finnischer Gesang ­– finnischer Humor? Circle wursteln alles Cheibs zusammen, Experimental Rock par excellence. Da ist auch chli Hard Rock und Jazz und Metal-Gegrunze und Operngesang drin, teilweise rumpelt’s mit gefühlt absolut keiner Orientierung, und das World Wide Web behauptet, auch Krautrock und Avantgarde sei drin, also Vorkämpfer für eine politische, künstlerische Bewegung. Künstlerisch ist es allemal. Oder das ist der Krautrock-Teil. Ich habe das mit dem Krautrock sowieso noch nie so richtig verstanden. Es macht ganz den Eindruck, als würde sich der Sänger üüüberhaupt nicht bemühen, einen Ton zu treffen. Aber das ist dann äuä Kunst und scheint gewollt. Ich weiss noch nicht, ob ich das cool finde. Ich weiss auch nicht, was die Absicht von Circle ist. Das Cover ist auf alle Fälle ganz nach meinem Geschmack: Da ist Glam und Glitzer zu sehen, Nietengurte und ganz viel Energie. Das mag ich.

Ich find‘s auf alle Fälle sehr cool vom finnischen Plattenladen, mir dieses Album zuzutrauen. Aber ich weiss nicht, ob ich die je wieder hören will.

Und jetzt noch Youtube-Links:

Und Circle. Ja jetzt gäll. Ich habe leider nichts von der Platte gefunden und es ist echt schwer, Songs zu finden, die der Platte gerecht werden, weil alle Lieder anders sind. Aber ich glaube, dieser hier trifft‘s gut:

Bild Circle: discogs

Aline Hug
aline@whipit.ch

Aline ging wiedermal All In mit diesem Blog - denn wie DEVO schon sang: When a problem comes along, you must whip it.

1 Comment
  • Stefan Mathis
    Posted at 22:09h, 27 Januar Antworten

    Quality Content par excellence!

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