
29 Jul Huigs Wegweiser durch die Populär-Galaxie #55: Lauwarme Luft
Also nochmal gaaaanz kurz zusammengefasst, falls das jemand tatsächlich noch nicht mitgekriegt haben sollte: Vor ein paar Tagen wurde das Konzert der bis zu diesem Zeitpunkt unbekannten Reggae-Band Lauwarm in der genossenschaftlich geführten Berner Brasserie Lorraine abgebrochen: Einige Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher fühlten sich «unwohl» angesichts der Tatsache, dass der Sänger von weisser Hautfarbe ist und Dreadlooks trägt. Das sei kulturelle Aneignung. Der Konzertveranstalter hat dann das Konzert abgebrochen und sich anschliessend wegen mangelnder Sensibilität für dieses Thema auch noch entschuldigt.
Dass Cultural Appropriation nicht mehr als ein dummer Witz (man könnte jetzt auch sagen: lauwarme Luft) ist, haben wir schon vor vier Jahren in der Kolumne Nummer 31 herausgefunden, da muss ich mich nicht wiederholen.
Interessant zu beobachten ist hingegen einmal mehr der Umstand, wie solche Diskussionen funktionieren. Schritt 1: Ein paar wenige ideologisch übermotivierte sogenannte Aktivisten empören sich und posten ihr wenig reflektiertes Entsetzen in den endlosen Weiten des weltweiten Netzes, idealerweise bei Twitter. Schritt 2: Sogenannte Journalisten und Journalistinnen wie zum Beispiel jene bei Watson und 20 Minuten machen dann daraus eine Story. Die machen daraus eine Story, weil die nichts anderes mehr tun, als in ihren Bürosesseln zu sitzen, ein bisschen im Netz und auf Twitter zu surfen und zu berichten, was sie dort gefunden haben. Darum die Bezeichnung «sogenannte» Journalisten.
Schritt 3: Dummerweise empört sich auch die Leserschaft gerne, je nach Gusto gegen oder für ein Thema – was andere Medien dazu veranlasst, sich ebenfalls darüber zu empören. Schritt 4: Irgendwann hat man dann das Gefühl, an einer Diskussion von nationaler Wichtigkeit mitzumachen. Die Sache selber bleibt aber stets ein Sturm im Wasserglas, hach was sage ich, ein Stürmchen im Wassergläschen. Beispielchen? Sophie Hungers überflüssige Bemerkung zur Präsenz von musizierenden Frauen am Moon and Stars. Die völlig nutzlose digitale Schlammschlacht über Trauffers Frauenverständnis. Und jetzt eben die schwachsinnige Geschichte über Lauwarms kulturelle Aneignung. Und es geht ja noch weiter mit nutzlosen Diskussionen: Gender-Stern, struktureller Rassismus in der Schweiz, Cancel Culture, wünschen Sie sich was.
Was mich jetzt aber an der Lauwarm-Geschichte wirklich freut: Die Junge SVP von Bern will nun die Brasserie Lorraine verklagen! Wegen Rassismus. Die Junge SVP will, dass die woken Wichtigtuer endlich mal erfahren, was es bedeutet, wenn ihre eigenen «Gesetze» und Richtlinien zur korrekten Anwendung kommen und was das für Auswirkungen hat. Ich finde das grossartig. Weil jetzt ein Gericht entscheiden und einen Präzedenzfall schaffen muss zum Thema «Wie dumm darf man eigentlich in der Welt herumschreien?». Wir sind gespannt.
Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.
(Bild: Instagram / lauwarm_music)
(PS: Die Köpfe hinter dem Whipit-Blog sind Individuen mit persönlichen Ansichten und Meinungen, Musikvorlieben, Geschmäckern und Schreibstilen.)
TB
Posted at 11:23h, 30 JuliEndlich mal ä Artikel wo nid etepetete beiflusst isch! Dankä!