Linus: Schatten, Staub und Rotwein

Heute widme ich mich dem Solodebüt eines Nidwaldner Musikers der umtriebigen Sorte. Man kennt ihn als Gitarrist von Zuckdraht oder Bircherix. Linus Bircher oder eben einfach Linus. Nun hat er zusammen mit dem Produzenten Marco Jencarelli, bekannt als ehemaliger Gitarrist der Zürcher Punk-Legenden The Bucks und Mitmusiker und Produzent diverser weiterer Schweizer Künstler, sein erstes Soloalbum aufgenommen. Produktionstechnisch wird also schon mal mit der grossen Kelle angerührt.

Um sein Debüt dem Hörer oder der Hörerin zu präsentieren, hat sich Linus etwas ganz Besonderes ausgedacht. Vor mir liegt die CD und ein Buch, welches zu jedem Song den Text und ein dazugehöriges Bild, gemalt vom Nidwaldner Musiker und Künstler Michael Leuthold, beinhaltet. Die Bilder sollen die Stimmungen in den Songs beschreiben und den Hörer und die Hörerin somit auf eine Art audiovisuelle Reise mitnehmen. Dieses Hör- und Seherlebnis wird im Idealfall mit dem Genuss eines guten Glases Rotwein oder Ähnlichem abgerundet. Und da gebe ich mich jetzt rein. Sowieso habe ich in letzter Zeit eine doch starke Vorliebe für Folkmusik entwickelt. Gut, nicht unbedingt für deutsch gesungene, und die deutsche Sprache ist gnadenlos. Mir kommen auf die Schnelle nur zwei Schweizer in den Sinn, die das können, nämlich Faber, dem werden wir nochmals begegnen, und Gustav.

Stilistisch verschreibt sich Linus dem modernen Folk. Mal fröhlich lüpfig, mal düster melancholisch, stets liebevoll von seinen grossartigen Mitmusikern instrumentiert. Inhaltlich werde ich als nicht so wahnsinnig textorientierter Musikhörer ziemlich herausgefordert, was mich öfter dazu bringt, der Stimme und den Melodien genauer zu lauschen und mir sonst was vorzustellen. Da kommen mir die mitgelieferten Bilder gerade recht. Sowieso finde ich dieses Bild/Song-Konzept sehr gelungen, hier etwas Schneegestöber auf einem gemeinsam eingeschlagenen Weg, da ein Hinterhof im sommerlichen Südspanien oder unbeschwert tanzende Menschen. Am Ende passen dann die hängengebliebenen Textfetzen immer mit dem Bild zusammen.

Gute Routen ist der logische Opener, vermag mich aber irgendwie nicht zu packen. Dafür mag ich Bedenklich schon sehr. Wunderschön instrumentiert. Le Cachot mit gesanglicher Unterstützung von Alessandra Murer und Lukas Birchers Violine, ist aber mein persönliches Highlight des Albums. Als Fan von Folk-Dous empfinde ich die zweistimmigen Parts generell als Bereicherung. Bei Heimweh musste ich sofort an einen Faber-Song denken, Heilig Abig, ausgerechnet, den singt Faber nämlich in Mundart. Wie würde Linus wohl in Mundart klingen? Laut eigener Aussage furchtbar. Da bin ich mir jedoch nicht so sicher. Ich glaube Mundart würde den Songs noch mehr Wärme, Tiefe und Persönlichkeit verleihen. Auf Mundart würden die Zuhörer vielleicht noch ein bisschen mehr Linus bekommen. Wer Linus aber kennt, findet ihn auf dem Album – ob nun Mundart hin oder her – dennoch eindeutig wieder. Nachdenklich, etwas scheu, aber auch fröhlich und optimistisch. Das Album widerspiegelt all seine Stärken, aber auch seine Schwächen. Und das ist gut so. Das macht es echt. Ebenso möchte ich nochmal die Kombination Buch/CD hervorheben, was in der hiesigen Musiklandschaft definitiv Seltenheitswert hat. Sehr schöne Idee.

Ich habe mir übrigens anstelle des Weins ein Gläschen Vieille Williams aus der Brennerei Stalder in Weggis gegönnt und fülle mir jetzt noch ein zweites ein, denn darauf freu ich mich ungemein.

Beni von Büren
beni@whipit.ch

Muss man mit Ü40 noch anfangen für einen Musikblog zu schreiben? Eigentlich nicht. Aber in Vernunft war ich noch nie besonders gut.

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