Larry Norman: Jesus! He Knows Me!

Der Auftakt der dritten Staffel der Serie The Leftovers beginnt mit Menschen, die in Andacht auf ihre Dächer steigen und auf das Ende der Welt, auf die Rückkehr des Erlösers warten. Auf die Entrückung. Dazu erklingen im Hintergrund sanfte Geigen, eine akustische Gitarre und eine Stimme, die nach Paul Simon klingt. Es ist der Song I Wish We’d All Been Ready von Larry Norman. Ein Song, der säuselnd beginnt wie kitschige 70er-Hippie-Folkmusik, aber dann fängt Larry an, seine bizarren Lyrics zu singen:

Life was filled with guns and war
And all of us got trampled on the floor
I wish we’d all been ready.

 

Im gleichen Ton geht der Text weiter:

Children died the days grew cold
A piece of bread could buy a bag of gold
I wish we’d all been ready

There’s no time to change your mind
The Son has come and you’ve been left behind

 

Zum Verständnis: mit «The Son» ist Jesus gemeint. Und zu unserem Vergnügen tauschen wir «The Son» mit «Satan» – und prompt liest sich der Text wie ein klassischer Slayer-Song:

Children died the days grew cold
A piece of bread could buy a bag of gold
I wish we’d all been ready

There’s no time to change your mind
Satan has come and you’ve been left behind

 

Aber zurück zum Original. Larry Norman hat 1972 mit seinem Song I Wish We’d All Been Ready die Blaupause für christliche Rock- und Popmusik geschrieben. Das dazugehörige Album Only Visiting This Planet gilt in einschlägigen Kreisen als das beste christliche Album überhaupt. Norman trauert darin um die verloren Seelen, welche es nicht mehr ins Paradies schaffen. Musikalisch sanft, textlich aber in einer fanatischen Härte. Wer Empathie und christliches Mitgefühl sucht, ist bei Larry Norman am falschen Ort.

Larry Norman hätte am 8. April (ja genau, mitten in den Ostertagen) seinen 76. Geburtstag gefeiert. Das ist ein guter Moment, ihn und sein Schaffen zu würdigen. Dass seine Songs nie zu grossen Hits wurden, lag mehr an Norman selber als an den Liedern. Die Musik und die Texte passen nicht trotz, sondern genau wegen ihrer glühenden religiösen Gesinnung gut in den Hippie-Zeitgeist der 60er- und frühen 70er-Jahre. Es war Norman, der sich vom Showbusiness verabschiedete, weil er seinen Glauben und sein Umfeld nicht in Einklang bringen konnte. Dazu kamen krude Geschäftsprobleme, die ihm den Einstieg in den Mainstream endgültig verbauten.

Es lohnt sich, seine frühen Alben anzuhören. Neben der musikalischen Qualität bieten sie Einblick in eine spezifische US-amerikanische Subkultur, die es in dieser Form heute nicht mehr gibt. Einzig der Metal-Band Stryper gelang in den 80er-Jahren noch etwas Ähnliches wie zuvor Larry Norman: Bei aller teilweise plakativen Zurschaustellung des Glaubens blieb die Musik beziehungsweise die Musikalität immer im Zentrum. Nach Stryper übernahm der Mainstream-Country diese Thematik, und christliche Rock- und Popmusik driftete auch im Zuge von deren Polarisierung in hässliche und stumpfsinnige Plattitüden ab.

In der Folge bekam sogar Norman selbst Probleme mit dem Genre der christlichen Popmusik. Hellsichtig bemängelte er den Mangel an Qualität der Musik und der Texte und die Tatsache, dass die Musiker zwar radikaler, aber gleichzeitig kommerzieller und – God bless America – geldgieriger geworden sind.

Der Kontrast zwischen der ausgefeilten Musik und den dunklen, verstörenden Bildern fasziniert auch noch 50 Jahre nach deren Erscheinen. Man muss nicht Leser von Jesus.ch sein, um die eigenartige Qualität seiner Musik zu erkennen.

Zum Weiterhören aus seiner fast hundert Alben umfassenden Discografie: Only Visiting This Planet (1972) ist der Auftakt einer Trilogie, gefolgt von So Long Ago The Garden (1973) und In Another Land (1976). Über grosse Strecken klingen die Alben wie ein unglücklicher und verschrobener Cat Stevens. Was seltsam anmutet, denkt man an das anders gelagerte Erwachen von Cat Stevens.

Auf YouTube findet sich das wunderbare Fanvideo des Songs. Echt mit Vorschlaghammer Symbolik und traurigen Bilder:

 

(Bild: Bandcamp / Larry Norman)

Roland Frey
roland@whipit.ch

Roland Glenn Frey – Von A wie Fusion bis Z wie Doom. Hasst Heinz Rudolf Kunze, liebt Hunde.

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