
09 Mrz Gamma Ray: Solid
Einer der grossartigen Vorteile des analogen Musikhörens und Musiksammelns ist der Umstand, dass man zum Beispiel auf Flohmärkten oder in Plattenläden physische Alben findet und sich diese bei passender Gelegenheit zu Hause in aller Ruhe anhört. Ich widme mich dann mit voller Aufmerksamkeit einem Werk einer Band, die mich interessiert, und ich bleibe dran. Das heisst gleichzeitig: Ich komme nicht in Versuchung, aus lauter angestachelter Ungeduld und aufgestachelter Neugier zu irgendwas anderem weiterzuzappen, wie das Spotify permanent mit den «Könnte Sie auch interessieren»- und «Klingt ähnlich»-Vorschlägen tut. Ich lasse mich von Spotify immer zuverlässig ablenken und verliere mich dann irgendwann in tausend Vorschlägen, ohne irgendetwas richtig angehört zu haben. Und ich kenne niemanden, dem oder der es nicht so ergeht. Das ist einer der Gründe, warum ich nicht streame.
Aber zurück zur Suche: Ich suche auf Flohmärkten, auf Ricardo oder bei Freunden grundsätzlich nach dem Schema: Alles durchchecken! Aber natürlich habe ich auch, sagen wir: Suchfelder im Kopf. Ich würde das als eine Art Themen-Cluster bezeichnen. In unserem Fall ist das das ganze klassische Deutschmetal-Zeugs: Heaven’s Gate, Grave Digger, Helloween, Gamma Ray, Scorpions, Edguy, Mystic Prophecy, ihr wisst schon. Wenn der Preis stimmt, dann kauf ich mir grundsätzlich von diesen Bands Alben, die ich noch nicht habe, weil mich das Deutschmetal-Zeugs eben interessiert. Zu Hause lege ich die CD auf eine der «Zu hören»-Beigen, und bei guter Laune zieh ich mir dann das Album rein.
Und so kam es letztens, dass ich mir No World Order! von Gamma Ray anhörte. Ein-Franken-Flohmarktpreisschild noch auf der Box (ein Schnäppchen) – Lust auf Kracher. Das Album ist schon alt, Jahrgang 2001, aber eben: In der Cluster-Suche geht es auch um Geschichtsaufarbeitung.
Apropos: Gamma Ray wurde 1988 von Kai Hansen gegründet, nachdem er bei Helloween ausgestiegen war, und Gamma Ray waren dann einen Zacken härter als eben Helloween. Und ja: Allein schon all die Bands zu verfolgen, in denen die Helloween-Gründungsmitglieder später gespielt haben, wäre eine eigene Clustersuche wert. Aber das nur nebenbei.
No World Order! also im Player, Lautstärke bei Rot, Bass ebenfalls, es ist herrlich, und schon The Heart Of The Unicorn, Song Nummer drei, ist ein ewiggültiger Vollpowerknaller. Hätte ich mir das Album ein paar Wochen angehört, hätte ich diesen Song bestimmt im Dorfchäller aufgelegt, als Hug und Hug den Metal zelebrierten.
Song Nummer sieben irritierte mich dann aber heftig: Solid klingt fast genau gleich wie All Guns Blazing von Judas Priest. Öööö…. darf man das? Solid ist dermassen nahe an All Guns Blazing, dass das nicht nach abgekupfert klingt, sondern nach einem geradezu unverschämten Plagiat. Okay, das «Original» von Judas Priest ist ein endlos überwältigender Judas-Klassiker. Und die «Kopie» von Gamma Ray… ist es auch, eine Prachtsbombe. Aber darf man das?
Ein Check ergibt: Der gute Rob war tatsächlich vor Kai, Judas 1990 gegen Gamma Ray 2001. Und eine kleine Internetz-Recherche ergab keinerlei Ergebnisse, dass man sich damals über Original und Kopie gestritten hätte. Aber hey, wer hat denn geglaubt, das Internetz sei vollständig, ha ha.
Klar ist: Gamma Ray haben tatsächlich schon zwei Judas-Priest-Songs offiziell gecovert, Exciter 1993 und Victim of Changes 2018 (ein Song aus der Zeit, als Rob Halford und seine Mannen die New Wave of British Heavy Metal noch nicht erfunden hatten) – womit die Nähe zu Judas klargemacht ist.
Ebenfalls klar ist: 1.: Sollte ich den Kai Hansen mal treffen, werde ich ihn danach fragen. 2.: Solid ist der Burner, definitiv. 3.: Das ganze Album ist toll. 4.: Die Cluster-Suche geht weiter! 5.: Kennt übrigens jemand die Band Clusterfuck? Die waren lustig, haben aber mit dieser Geschichte überhaupt nichts zu tun. 6.: Kommentare zum Sachverhalt bitte unten bei Post a Comment posten.
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