Huigs Wegweiser durch die Populär-Galaxie #56: Hansi der Visionär

Das selbstbetitelte Debüt der deutschen Lustig-Girlband Tic Tac Toe erschien 1996 und war ein dermassen gigantischer Erfolg, dass die CD bis heute zuverlässig an jedem Flohmarkt und in jedem Brockenhaus zu finden ist. Und der Release ist immerhin 25 Jahre her. Die Überpräsenz dieses Albums im Occasionsmarkt geht sogar soweit, dass mich ein Gefühl der bohrenden Lücke überkommt, wenn ich an einem Flohmarkt die CD nicht entdecke.

Seit einiger Zeit durchforste ich in Brockenhäusern auch Vinyl-Alben. Kenner wissen: Dort besteht das Angebot zu 90 Prozent aus irgendwelchen Klassik-Alben, von denen wir erstens nichts wissen wollen und zweitens keine Ahnung haben, ob die nun wertvoll oder wertlos sind.

Aber ich muss da durch. Weil ich letzthin von einer alten Frau die mint erhaltene Vinyl-Serie «Grosse Komponisten und ihre Musik» bekommen habe. Und zwar die komplette 65teilige Edition – ausser eben einer einzigen Platte. Die fehlt. Nummer 38 mit Dvoraks «Opus 104» und Smetanas «Moldau». Als Sammler mit Sinn für Vollständigkeit beunruhigt mich das natürlich existenziell. Darum muss ich jetzt auch durch die Vinylkisten in den Brockis.

Sammler wissen, dass es zu «Tic Tac Toe» ein Vinyl-Pendant gibt. Genau! James Last. Der macht die restlichen 10 Prozent des Angebots in den Wühlkisten aus, mindestens.

James Last war lange vor der Erfindung von Punk und Heavy Metal, drum ist sein Orchester, gelinde gesagt, nicht so mein Ding. Aber hey: alleine der 10-Prozent-Anteil ringt mir Respekt ab. Irgendwas muss Hans Last aus Bremen mit seinem Boxerbart und seiner Scheitelfrisur richtig gemacht haben.

Was genau, das wollte ich wissen. Drum hab ich mal gegoogelt. Beziehungsweise ging auf Wikipedia => Diskografie – und war tief beeindruckt: Wenn ich richtig gezählt habe, sind das 63 Alben in 56 Jahren, ein paar wenige Best-ofs mitgezählt. Das ist reinste Akkord-Arbeit!

Aber es geht noch viel weiter: James Last war das Spotify seiner Zeit: Er hat erkannt, wie Unterhaltung funktioniert. Indem er nämlich einerseits eine grosse stilistische Bandbreite abdeckte von Swing über Pop über Klassik über Filmmusik bis Jazz und anderseits mehrere dieser «Abteilungen» gleich in Serie führte. «Non Stop Dancing» Teil 16, «Classics Up To Date» Volume 6 und so weiter. Auf Spotify nennt sich das heute Genre und Playlist. Und die Tatsache, dass James Last immer mal wieder bis zu neun Alben pro Jahr veröffentlichte, zeigt, dass er auch die Grundidee von Spotify lange vor Spotify begriffen hat: Flute die Leute immerzu und unaufhörlich mit neuer Musik, das hält die Aufmerksamkeit hoch. Hat damals auf Vinyl bestens funktioniert – während heute die Digital Natives vor lauter Überforderung an Spotify verzweifeln. Und King Gizzard wirken dagegen fast wie Schnecken.

Man muss die Musik von James Last nicht mögen, man kann sich durchaus mit dem Argument «Geschmackssache» rausschnorren. Aber soviel ist klar: James Last verdient Respekt. James war König. Kein Wunder, nannte ihn ein Veranstalter Deutschlands erfolgreichsten Musiker des vergangenen Jahrhunderts. Was man von Tic Tac Toe nicht behaupten kann.

Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Bono Vox verboten werden sollte.

(Bild: Universal Music)

Christian Hug aka Huig
christian@whipit.ch

«I’m runnin' with a burnin' spirit that I can’t control», sagt Si, und er hat ja sowas von recht. Der Bruce weiss die einzig richtige Lösung: «I’m running free.» Und am Ende bleibt, was John Lee schon immer wusste: «It’s all the Blues.» The Numbers of the beast: 1965, 189,6370, 3. christian-hug.ch

No Comments

Post A Comment